Schöne Selfies machen heute viele Menschen millionenfach auf der ganzen Welt. Besonders trendy ist es geworden, sich vor eindrucksvollen Landschaften abzulichten. Wenn du auch zur Fraktion der Selbstknippser gehörst und dich interessiert, wie dir dabei mehr als nur die üblichen beliebigen Schnappschüsse gelingen, bist du hier genau richtig. Ich gebe dir in diesem Beitrag Tipps und Ideen, wie du dich selbst oder andere Menschen möglichst effektvoll in der Natur in Szene setzen kannst.
Selfies machen wird zum Volkssport
Spätestens seit dem Einzug der Smartphones in unser aller Leben und der Instagramisierung der Welt ist es en-vogue geworden, sich selbst oder andere Menschen an allen möglichen Orten abzulichten. Besonders gern setzt man sich dabei vor beeindruckenden Natur- und Landschaftskulissen in Szene, ob als Urlaubserinnerung oder als spontane Impression von unterwegs für Familie oder Follower in Sozialen Medien. Sich selbst oder andere draußen zu fotografieren ist heute allgegenwärtig und überall sieht man Leute hingebungsvoll ihre Selfie-Sticks schwingen. Aber auch als Stilmittel in der Landschaftsfotografie werden „Selfies“ seit einigen Jahren gezielt eingesetzt.
Menschen in der Landschaft als wirkungsvolles Stilmittel
Als die ersten Fotografen vor einigen Jahren damit begannen, sich selbst in ihre Landschaftsbilder einzubauen, hat man anfangs in der Szene noch einigermaßen verwundert den Kopf geschüttelt. In der Landschaftsfotografie stellte das eine echte Zäsur dar, hat man doch hier eher Jahrzehnte lang versucht, den Menschen und seine Spuren tunlichst im idealisierten Foto zu vermeiden. Heute gehört es für einen Landschaftsfotograf fast schon zum guten Ton, eben auch einige Selbsportraits vor naturgewaltiger Kulisse im Portfolio zu haben.
Dabei ist dieses Stilmittel keineswegs eine Erfindung der digitalen Neuzeit, sondern wird schon lange in der bildenden Kunst genutzt. Man denke nur an die Landschaftsmaler der Romantik. Diese inszenierten in ihren stimmungsvollen Gemälden schon im 18. Jahrhundert Menschen in der Landschaft. Ein gutes Beispiel ist „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich, eines der berühmtesten Bilder dieser Epoche, dass der Künstler übrigens im wundervollen Elbsandsteingebirge malte.
Doch warum eigentlich haben schon die Maler der Romantik so gern Menschen in ihren Bilder eingebaut und weshalb ist dies heute auch unter Landschaftsfotografen so beliebt?
Nun, eine der größten Herausforderungen in der Landschaftsfotografie (und -malerei) ist es, die Größe und Stimmung einer Naturkulisse auf seinem Foto zu vermitteln. Vielleicht hast du auch schon einmal eine beeindruckende Landschaft fotografiert und dann später festgestellt, dass die Dimension und die Atmosphäre der Szenerie auf dem Bild nicht so richtig „rüberkommen“?
Das hat damit zu tun, das ein Foto ein zweidimensionales Medium ist. Wenn du sich selbst in einer Landschaft befindest, erlebst du diese dreidimensional und unmittelbar. Dazu kommt, dass du vor Ort nicht nur visuelle Reize hast, sondern die Kulisse auch mit allen anderen Sinnen wahrnehmen kannst. Ein Foto funktioniert aber ausschließlich visuell und hat nur zwei Dimensionen. Daher fällt es einem Betrachter, der nicht selbst nicht an diesem Ort war, schwer, sich in die Szenerie hineinzuversetzen. Er hat keine Vorstellung davon, wie groß ein Baum, ein Felsen, eine Höhle, ein Tal, etc. auf dem Bild sind.
Eine Lösung für dieses Dilemma besteht darin, in das Bild ein Objekt aufzunehmen, welches dem Betrachter vertraut ist. Das kann zum Beispiel ein Tier, ein Haus, ein Auto, ein Zaun, ein Zelt, ein Baum oder eben ein Mensch sein. Mit diesem Maßstab fällt es dem Betrachter leichter, sich die Größenverhältnisse der Kulisse auszumalen. Schau dir beispielsweise mein Selfie in der isländischen Gletscherhöhle an. Die gewaltigen Ausmaße der Eishöhle werden erst dann wirklich deutlich, wenn man einen Menschen als Maßstabsobjekt ins Foto aufnimmt. Hätte ich mich nicht selbst im Bild verewigt und die Eishöhle einfach so fotografiert, hätte unser Gehirn Schwierigkeiten, das recht abstrakte Motiv und dessen Größe einzuordnen.
Wenn Du Menschen in deine Bildkomposition aufnimmst, erreichst zudem einen psychologischen Effekt, weil du eine Identifikation zwischen Betrachter und Foto herstellst. Auf Grund des „Artgenossen“ in der Landschaft kann sich der Betrachter besser vorstellen, selbst dort zu sein. Auch werden unterbewusste Sehnsüchte wie Abenteuer, Freiheit, Harmonie, Ruhe, etc. angesprochen, so dass das Foto auch emotional berührt. Zudem kann ein Foto mit Mensch darin auch besser den Geist des Ortes oder den Moment der Aufnahme auf der Gefühlsebene vermitteln. Schau zum Beispiel einmal mein Bild von einer Vulkanbesteigung an. Ich glaube, man spürt unsere Anstrengung und das Abenteuer förmlich visuell.
Schöne Selfies machen – wie es geht
Wenn dein Selfie mehr sein soll, als ein lieblos dahin geknippster Schnappschuss, solltest du dir vorher einige Gedanken machen. Welcher Ort ist geeignet, wo stellst du dich selbst oder dein Model hin, welche Ausrüstung brauchst du? Möchtest du dich selbst fotografieren oder einen anderen Menschen im Bild verewigen? Das schauen wir uns jetzt einmal im Einzelnen an.
Der optimale Ort, um ein perfektes Selfie zu machen
Suche Dir einen Fotostandort, der es dir erlaubt, dich selbst oder einen anderen Menschen effektvoll und mit der gewünschten Bildaussage im Bild zu inszenieren. Willst du zum Beispiel Freiheit und Weite visualisieren, suche Dir eine offene Landschaft mit freien Blick zum Horizont. Das Model positionierst du an einer exponierten Stelle wie einer Anhöhe oder einem Felsvorsprung, damit es deutlich auf dem Bild zu erkennen ist. Idealerweise ist dieser Standort illuminiert, damit die Person auf dem Selfie gut zu erkennen ist. Ein anderer Trick ist es, die Person gegen den Himmel oder homogene Fläche freizustellen, um eine bessere Plastizität zu erreichen und den Blick des Betrachters darauf zu lenken.
Die richtige Ausrüstung fürs Selbstportrait
Klar kannst du dein Selfie auch einfach mit dem Smartphone aus der Hand – oder schon etwas fortgeschritten – zumindest mit einem Selfie-Stick aufnehmen. Wenn du aber ein wirklich schönes Selfie machen willst und ein Foto mit Wow-Effekt entstehen soll, empfehle ich dir, dein Vorhaben etwas professioneller anzugehen. Du brauchst dafür nichts, was du nicht sonst auch schon verwenden würdest.
Kamera
Mit welcher Kamera du deine schönen Selfies machen möchtest ist eigentlich unerheblich. Allerdings: auch wenn dir die Werbung von Apple, Samsung und Co. etwas anderes erzählt – die Handykamera ist zumindest für anspruchsvolle Selbstporträts nicht gerade die erste Wahl, angefangen von der eher überschaubaren Bildqualität bis hin zu limitierten Einstellungs- und Steuerungsmöglichkeiten. Wichtig ist nämlich, dass du an der Kamera manuelle Einstellungen wie Belichtungszeit und Blende vornehmen und sie auch aus der Distanz steuern kannst.
Objektiv
Ideal für Selfies sind Weitwinkel-Objektive (z. B. 14 – 18 mm). Dank ihres großen Bildwinkels bekommt man möglichst viel aufs Bild, was ein Vorteil ist, wenn man sowohl sich selbst als auch die weite Landschaft in einem Motiv vereinen möchte. Zudem erzeugen Weitwinkel einen kleineren Abbildungsmaßstab, so dass der Mensch – aufgenommen mit etwas Abstand – deutlich miniaturisierter im Bild erscheint, was wiederum der Bildaussage zuträglich ist. Nicht zuletzt kannst du mit Weitwinkel auch eine bessere Schärfentiefe erzeugen.
Stativ
Da du dich bei einem Selfie selbst fotografierst und dabei je nach Bildkomposition auch einige Meter von deiner Kamera entfernt bist, kannst du diese natürlich nicht selbst festhalten. Entweder musst du jemanden finden, der das für dich übernimmt bzw. sie einfach auf einem stabilen Stativ anbringen. Wichtig: achte stets darauf, dass dein Stativ absolut sicher steht und zum Beispiel nicht wegrutschen oder kippen kann, denn du bist ja nicht in unmittelbarer Nähe, um deine Kamera auffangen zu können.
Auch wenn du nicht dich selbst, sondern eine andere Person fotografieren willst, macht ein Stativ durchaus Sinn, weil du so die Bildkomposition viel sauberer aufbauen und Serienaufnahme anfertigen kannst (siehe weiter unten).
Fernsteuerung und Kommunikation
Bei einem Selfie stehst du in der Regel so weit weg von deiner Kamera, dass du sie nicht direkt bedienen kannst. Ich empfehle Dir daher einen Funkauslöser zu verwenden, dessen Reichweite über einige Distanz reicht. Alternativ kannst du dir auch mit dem Selbstauslöser deiner Kamera behelfen, den du dann aber lange genug (mindestens 30 Sekunden) einstellen musst, damit du noch genügend Zeit hast, um sicher zu deinem Standort zu gelangen und dich auszurichten. Wenn du mit Selbstauslöser arbeitest, empfehle ich dir, diesen mit Serien- oder Intervallauslösung kombinieren, so dass du nicht nach jedem Selfie machen wieder zu deiner Kamera zurückkehren musst und verschiedene Positionen ausprobieren kannst.
Deutlich idealer wäre es aber, wenn du das Bildergebnis aus der Ferne direkt begutachten könntest, um dann direkt an deinem Standort Änderungen zum Beispiel an deiner Ausrichtung vorzunehmen. Dazu kannst du dich des sogenannten Tethering (ferngesteuertes Fotografieren) bedienen, was du zum Beispiel mittels einer App steuern kannst. Oft gibt es diese kostenlos vom Hersteller, von Nikon zum Beispiel Snapbridge. Hier siehst du dann direkt live an deinem Smartphone oder Tablet, wie dein Bild aussehen wird und kannst es auslösen oder Einstellungen verändern. Nachteil: da es dazu eine Wifi-Verbindung zwischen Kamera und mobilem Device braucht, funktioniert das nur bei überschaubaren Distanzen.
Fotografierst du nicht dich selbst, sondern eine andere Person, brauchst du zwar keine Fernsteuerung, musst dafür aber auf Distanz mit der anderen Person kommunizieren, zum Beispiel um ihr zu sagen, wie sie sich aufstellen soll. Wenn dein Model außer Hörweite steht, kannst du das mittels Smartphone oder Walkie-Talkie (falls kein Mobilfunk-Empfang ist) machen.
Passende Kleidung um schöne Selfies zu machen
Da du dich selbst oder eine andere Person ja im Bild verewigen möchtest, sollte dieser Mensch dann natürlich auch gut zu erkennen sein und sich klar von der Landschaft abheben und nicht etwa mit ihr verschwimmen. Neben den oben schon benannten Tricks bietet es sich dazu an, gezielt auf farbige, vielleicht sogar leuchtende Kleidung zu legen. Ich selbst habe mir eigens für diesen Zweck knallige Regenjacken in Leuchtorange und Neongelb zugelegt, die so leicht und kompakt sind, dass ich sie meist auf Fototouren dabei habe. Besonders gut funktionieren Komplementärfarben auf Grund der Kontrastwirkung, also zum Beispiel orangene Jacke gegen blauen Himmel.
Du kannst die Kleidung aber auch nutzen, um die Bildaussage oder den Charakter des Ortes zu unterstützen. Willst du den tropisches Flair eines Traumstrands verstärken, wäre zum Beispiel ein Hawaii-Hemd, ein helles Leinenhemd/Kleid oder ein Sonnenhut effektverstärkend. Geht es eher um das Abenteuerfeeling in den Bergen, machen hier Wanderklamotten mehr Sinn für eine stimmige Bildaussage.
Schritt für Schritt schöne Selfies machen
1. Geeigneten Standort finden
Die Grundvoraussetzung dafür, das du gelungene Selfies in der Natur machen kannst ist ein sorgfältig ausgesuchter Standort. Dies gilt für den zu fotografierenden Menschen, aber auch deine Kamera. Wie das geht und worauf es ankommt, habe ich dir bereits oben erklärt. Wenn du also deinen idealen Fotostandpunkt gefunden hast, kannst du dich nun auf das eigentliche Selfie machen konzentrieren.
2. Bildausschnitt und Perspektive bestimmen
Stelle Deine Kamera auf dein Stativ und suche Dir einen geeigneten Bildausschnitt. Um die Größenverhältnisse anschaulich darzustellen, sollte die Person auf dem Foto eher klein abgebildet sein – aber trotzdem deutlich erkennbar. Dafür arbeitest Du am besten mit einer weitwinkligen Brennweite.
Für eine wirkungsvolle Bildkomposition orientierst Du Dich an gängigen Gestaltungsregeln wie dem Goldenen Schnitt oder der Drittelregel (mehr dazu hier in meinen Landschaftsfotografie Tipps). Bei den meisten Kameras kannst Du Dir entsprechende Hilfsraster im Sucher oder auf dem Display einblenden lassen. Platziere die Person dann an einem der vier äußeren Schnittpunkte.
Wenn Du Dich selbst fotografieren willst, wird es etwas anspruchsvoller. Wähle zuerst den gewünschten Bildausschnitt und versuche Dir vorzustellen, wo genau Du stehen wirst. Begib Dich dann an diese Position und löse mithilfe eines Funkauslösers aus. Alternativ kannst Du auch den Selbstauslöser der Kamera verwenden – dann musst Du Dich allerdings beeilen, rechtzeitig an Deinem Platz zu sein. Die beste Variante ist aber wie oben schon erwähnt Tethered Shooting mittels einer App, weil du hier die volle Kontrolle hast.
3. Ausrichtung des Models
Wichtig sind als nächstes die Positionierung und Ausrichtung des Models im Bild, also von Dir, wenn du ein Selfie machen willst oder einer anderen zu fotografierenden Person.
Dazu solltest du wissen, dass die Aufmerksamkeit der Betrachtenden in die Richtung gelenkt wird, in die das Model blickt oder ausgerichtet ist. In der Regel funktioniert es am besten, wenn die Person leicht zur Bildmitte eingedreht ist und dorthin schaut. Die Bildwirkung lässt sich zusätzlich steigern, wenn sie mit einer Geste in Richtung Hauptmotiv weist – zum Beispiel mit der Hand zu einem Bergmassiv zeigt. So wirkt es für die Betrachtenden, als würde ihnen etwas gezeigt. Man kann das Model aber auch aus dem Bild herausschauen lassen und erzielt dann einen Effekt, als würde die Person in eine unendliche Weite schauen oder etwas Verborgenes beobachten.
Die Gestik und Mimik des Models kann die Bildaussage zusätzlich unterstützen und Emotionen vermitteln, etwa, indem Du aus Freude die Hände gen Himmel streckst oder einen Freudensprung vollziehst oder dich verträumt gen Horizont schaust.
4. Kameraeinstellungen vornehmen
Als nächstes wählst du die passenden Kameraeinstellungen.
Am besten fotografierst Du im Modus Blendenvorwahl (A/Av) oder gleich manuell. Um einen guten Schärfeindruck zu erhalten, solltest du eine mittlere Blende zwischen f8 und f11 verwenden.
Für die Belichtung stellst du am besten die Matrixmessung ein und steuerst mit Belichtungskorrektur nach. Ist Dein Model deutlich dunkler oder heller als der Rest der Umgebung – zum Beispiel, weil es direkt von der Sonne angestrahlt wird – verwende die Spotmessung. Die Belichtung sollte dann auf das Model abgestimmt sein.
Da ein Mensch nicht lange stillhalten kann, solltest Du möglichst mit kurzen Verschlusszeiten unter 1/100 Sekunde arbeiten, um Bewegungsunschärfe zu vermeiden. Im Zweifelsfall, wenn es draußen schon dunkler ist, kannst Du den ISO-Wert erhöhen oder die Blende weiter öffnen, solltest aber die Tiefenschärfe im Blick behalten.
5. Nach dem Selfie machen – Ergebnis prüfen
Bei Personenaufnahmen, besonders in der Dämmerung oder Dunkelheit mit entsprechend längerer Belichtungszeit besteht immer die Gefahr, dass das Model sich bewegt hat und damit auf dem Bild verwischt. Prüfe daher direkt nach der Aufnahme die Schärfe. Vergrößere dazu das Bild auf dem Monitor und sieh dir den Bereich um die aufgenommene Person an. Alles scharf? Prima! Person ist verwackelt? Dann musst du das Selfie am besten nochmal machen und beginnst wieder bei Schritt 1.
Wirf außerdem einen Blick auf das Histogramm, um sicherzugehen, dass sowohl die Person als auch die Landschaft korrekt belichtet sind.
Und nun wünsche ich dir viel Spaß beim Selfie machen! Ich hoffe, mit diesem ausführlichen Tutorial habe ich dir viele hilfreiche Tipps gegeben, wie du dich selbst oder andere Menschen effektvoll in Landschaft und Natur Szene setzen kannst.